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In der Entscheidung 3 Ob 224/18i hat sich der OGH unter anderem mit der Frage beschäftigt, ob E-Mails, die im Spam-Ordner landen und vom Empfänger unbemerkt bleiben, als zugegangen gelten. Der OGH hat diese Frage mit Ja beantwortet.

E-Mail-Angebot landet unbemerkt im Spam-Ordner

Im konkreten Fall geht es um einen Rechtsstreit zwischen einem Ehepaar und einen Immobilienmakler.

Nach telefonischer Kontaktaufnahme durch den Ehemann sendete ein Mitarbeiter des Maklerbüros am 18. August 2016 ein E-Mail-Angebot (mit Hinweisen auf die Grundlagen der Maklerprovision, Belehrungen über Rücktrittsrechte nach FAGG und KSchG sowie einem Muster-Rücktrittsformular) an die vom Ehemann angegebene E-Mail-Adresse.

Diese E-Mail landete im Spam-Ordner des E-Mail-Accounts, was vom Empfänger unbemerkt blieb.

Der Ehemann rief daher am 29. August 2016 neuerlich beim Mitarbeiter des Maklerbüros an und ersuchte um nochmalige Zusendung der Unterlagen. Diese sendete der Mitarbeiter noch am selben Tag neuerlich an die E-Mail-Adresse des Interessenten. Die Unterlagen landeten wiederum im Spam-Ordner. Bei diesem Telefonat vereinbarten die Parteien auch einen Besichtigungstermin des Hauses für den 2. Spetember 2016.

Beim Besichtigungstermin wurde das Ehepaar schließlich durch einen Hinweis des Mitarbeiters auf die E-Mails im Spam-Ordner aufmerksam.

Ehepaar tritt von Maklervertrag zurück

In der weiteren Folge trat das Ehepaar direkt mit den Eigentümern in Kontakt und kaufte am 2. September das Haus.

Das Ehepaar trat am 16. September 2016 vom Maklervertrag zurück. Das Maklerbüro verlangte dennoch für seine Leistung eine Provision aufgrund des konkludent – also aus dem Verhalten einer Person schlüssig ableitbar – zustande gekommenen Maklervertrags. Die Provision wollte das Ehepaar jedoch nicht bezahlen, da es der Meinung war, es sei rechtzeitig vom Vertrag zurückgetreten.

Wann ist ein Rücktritt rechtzeitig?

Bevor ein Verbraucher durch einen Vertrag oder eine Vertragserklärung überhaupt gebunden ist, muss ihm der Unternehmer in klarer und verständlicher Form eine Vielzahl an Informationen zur Verfügung stellen.

Dazu zählen die Belehrung über das Bestehen eines Rücktrittsrechts, – die Bedingungen, die Fristen und die Vorgangsweise für die Ausübung dieses Rechts sowie die Zurverfügungstellung eines Muster-Widerrufsformulars.

Bei einem Maklervertrag erfolgt der Rücktritt rechtzeitig, wenn der Rücktritt innerhalb einer Frist von 14 Tagen erklärt wird. Die Frist beginnt mit Vertragsabschluss zu laufen, sofern der Verbraucher zu diesem Zeitpunkt bereits über sein Rücktrittsrecht informiert wurde. Erfolgt die Information bezüglich des Rücktrittsrechts erst später, beginnt die Frist für den Rücktritt erst ab dem Zeitpunkt der Belehrung über das Rücktrittstrecht zu laufen.

E-Mail gilt als zugegangen sobald sie abrufbar ist

Der Zeitpunkt des Zugangs einer Mitteilung ist deshalb entscheidend, weil durch ihn Rechtsfolgen oder Fristen ausgelöst werden. Im konkreten Fall etwa die 14-tägige Rücktrittsfrist.

Eine Mitteilung gilt laut OGH grundsätzlich dann als zugegangen, wenn sie in den Machtbereich des Empfängers gelangt: “Für den Zugang elektronischer Willenserklärungen in den Machtbereich des Empfängers ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Mailbox des Empfängers jedenfalls dann zu seinem Machtbereich gehört, wenn er zu erkennen gegeben hat, dass er über die E-Mail-Adresse erreichbar ist”.

Bereits in früheren Entscheidungen hat der OGH präzisiert, dass eine E-Mail für den Empfänger ab dem Zeitpunkt abrufbar ist, ab dem sie in seiner Mailbox eingelangt und gespeichert ist und am Bildschirm angezeigt oder ausgedruckt werden kann, das heißt, sobald ein Abruf durch den Empfänger möglich ist. Eine tatsächliche Kenntnisnahme des Inhalts durch den Empfänger wird nicht vorausgesetzt.

Rücktritt vom 16. September ist verspätet

Der OGH geht davon aus, dass jedenfalls mit der telefonischen Vereinbarung des Besichtigungstermins (am 29. August 2016) ein Maklervertrag mit dem Ehepaar zustande gekommen ist.

Die vom Mitarbeiter des Maklerbüros dem Ehemann übermittelten Unterlagen (einschließlich des Hinweises auf die Provision sowie der Belehrungen über Rücktrittsrechte) sind nach den Feststellungen bereits bei der ersten vom Mitarbeiter der Klägerin veranlassten Sendung (am 18. August 2016) sowie neuerlich am 30. August 2016 in der Mailbox des Ehemannes eingelangt.

Daher war die 14-tägige Rücktrittsfrist am 16. September bereits abgelaufen und an diesem Tag sohin verspätet.

Fazit

Wann eine E-Mail dem Empfänger tatsächlich zugestellt wurde, lässt sich in der Praxis nur sehr schwer beweisen. Denn selbst eine Übermittlungsbestätigung ist keine Garantie dafür, dass eine E-Mail tatsächlich auf dem Server des Empfängers eingelangt ist.

Im konkreten Fall wurde jedoch nie bestritten, dass die E-Mails grundsätzlich eingelangt sind, sie landeten lediglich im “falschen” Ordner, sodass der Empfänger sie nicht bemerkte.

Das reicht jedoch aus, um den Beginn einer Frist auszulösen. Man wird also auch in Zukunft nicht darum herumkommen, regelmäßig den Spam-Ordner zu kontrollieren, wenn man nicht die Gefahr unerwarteter Rechtsfolgen riskieren will.

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